Mehr als 70 Vertreter von Kommunen, Initiativen, Bündnissen, Schulen, Kirchen und Kommunalpolitik aus den Landkreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Nordwestmecklenburg und Ludwigslust sowie aus der Hansestadt Lübeck kamen am vergangenen Sonnabend (1. September) zur 2. Regionalkonferenz Rechtsextremismus nach Ratzeburg zu einem ganztägigen Informationsaustausch und Vernetzungstreffen.
Sie folgten einer gemeinsamen Einladung der Stadt Ratzeburg, des Beratungsnetzwerks Rechtsextremismus Schleswig-Holstein und des RAA Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg, die schon im Frühjahr die Initiative gestartet hatten, rechtsextremen Aktivitäten in der Region mit einem kreis- und länderübergreifenden Ansatz zu begegnen. Dieser regionale Ansatz trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die Aktionsräume von Neonazis sich nicht an Verwaltungs- und Landesgrenzen orientieren, sondern sich in regionalen und auch überregionalen Bezügen und Netzwerken manifestieren. Dies muss bei der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus vor Ort in betroffenen Kommunen mitbedacht werden und erfordert in der Konsequenz einen regionalen Zusammenschluss des Austausches und einer gemeinsam vorangetrieben Bildungs- und Projektarbeit.
Entsprechend war auch das Programm des 2. Regionalkonferenz Rechtsextremismus zweigliedrig angelegt, mit viel Raum für inhaltliche Arbeit und Austausch und sowie einer breiten Diskussion hinsichtlich eines gemeinsamen Vorgehens gegen Neonazis.
Einen Leitfaden für diese langwierige und schwierige Arbeit bot dabei Referent David Begrich, ein ausgewiesener Rechtsextremismusexperte aus Sachsen-Anhalt, der dort seit über 20 Jahren Menschen in ihrem mutigen Engagement gegen Rechts unterstützt. Begrich verwies auf zwei ganz grundsätzliche Erfordernisse, die für ein erfolgreiches Zurückdrängen von Neonazis aus der Mitte der Gesellschaft entscheidend sind. “Demokraten dürfen nicht sprachlos bleiben, wenn Themen emotional unangenehm, unbequem, unpopulär oder uninteressant erscheinen. Der sprachlose Demokrat verliert hier schnell die Deutungshoheit über das Geschehen an Neonazis. Und Demokraten müssen sich ihrer Grundwerte bewusst sein und sie souverän vertreten können. Hier erscheint die Demokratie häufig viel zu unsicher, während ideologisierte Rechtsextremisten sehr genau wissen, wofür sie stehen und welche Werte sie vertreten.” Begrich warb für einen offensiven, aber analytisch gelassenen Umgang mit Neonazis. “Rechtsextreme kochen nur mit Wasser. Es gilt, den Stecker zu ziehen und das Wasser auszuschütten. Dafür reicht es häufig schon aus, eine klare Sprache zu finden.” Angesprochen auf Radikalisierungstendenzen in der rechten Szene, beschrieb Begrich die Gefahr für unsere Gesellschaft weniger darin, dass Neonazis mehr, sondern Menschen, die sich gegen Neonazis stellen weniger würden.
David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus – Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt skizziert aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus und gibt praktische Hinweise zum Umgang mit Neonazis in gesellschaftlichen Bezügen.
© Regionalkonferenz Rechtsextremismus & Demokratieförderung
In nachfolgenden Workshops konnten die Konferenzteilnehmer ihr Wissen zu praxisbezogenen Aspekten des Rechtsextremismus in Kleingruppen vertiefen und in einen intensiven Erfahrungsaustausch treten. “Das Bedürfnis ist sehr groß, seine eigenen Erlebnisse zu erzählen. Das hilft in der gemeinsamen Arbeit und bestätigt auch.”, beschrieb Bürgermeister Rainer Voß die Atmosphäre in den Workshops.
Intensive Workshoparbeiten in Kleingruppen ermöglichte einen umfassenden Austausch
© Regionalkonferenz Rechtsextremismus & Demokratieförderung
Im zweiten Teil der Konferenz wurde das Augenmerk auf die eigene Projektarbeit gerichtet. Drei Initiativen aus Stormarn, dem Herzogtum Lauenburg und Nordwestmecklenburg waren eingeladen, sich dem Forum vorzustellen.
Nachfolgend wurde gemeinsam die Frage diskutiert, was ziviles, vielfach ehrenamtliches Engagement gegen Rechts an Unterstützung brauche, um den notwendigen “langen Atem” haben zu können. Lübecks Innensenator Bernd Möller formulierte dies wie folgt: “Wie schaffen wir es nachhaltig, den Kampf nicht auf der Straße bei den Demonstrationen, sondern vor allem in den Köpfen zu gewinnen? Demokratie muss hier offensiv reagieren, sie muss schnell reagieren und sie darf auch nichts dulden.”
Die Idee aus der 1. Regionalkonferenz, hier nach dem Vorbild der mecklenburgischen Regionalzentren für demokratische Kultur, eine regionales Kompetenzzentrum im südöstlichen Schleswig-Holstein einzurichten, stieß dabei bei den Konferenzteilnehmern auf breite Zustimmung und wurde als wichtiger Ausblick, die eigene Arbeit nachhaltig verstetigen zu können, begrüßt. Dabei konnten die Anwesenden lokalen Experten sehr genau definieren, mit welchen Angeboten ein solches Zentrum die vielfältigen Initiativen in der Region unterstützen sollte. Informationen, Netzwerkpflege, Beratung und vor allem die Schaffung von Fortbildungs- und schulischen Bildungsangebote zur Demokratieerziehung wurden als vordergründige Leistungen eines solchen Zentrums benannt.
Mit viel Zustimmung nahm das Forum der Konferenz zur Kenntnis, dass die Einrichtung eines solchen Zentrums seitens des Innenministeriums Schleswig-Holstein aktiv unterstützt wird. So soll in den nächsten Wochen einen Stelle eingerichtet werden, die konzeptionell den Aufbau eines Regionalzentrums betreiben soll. Parallel wird die Christian-Albrecht-Universität Kiel beauftragt, diesen Prozess mit wissenschaftlichen Analysen zu unterstützen.
Die Konferenzteilnehmer kamen abschließend überein, das Forum der Regionalkonferenz fortzuführen. Es wurde ein Folgetreffen in Mecklenburg vereinbart, auf dem unter anderem auch die Frage nach einer gemeinsamen Handlungsebene diskutiert werden soll.