Rechtesextremismus als (über)regionales Problem erkennen und verstehen, zu diesem Zweck hat die Stadt Ratzeburg in Zusammenarbeit mit dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein Verwaltungsvertreter aus Stormarn, dem Herzogtum Lauenburg, der Hansestadt Lübeck, dem Kreis Nordwestmecklenburg sowie aus Neumünster und Lübtheen zur „Regionalkonferenz Rechtsextremismus“ in das Ratzeburger Rathaus geladen. 

Neben den 35 Vertretern aus 20 Städten und Gemeinden konnten Bürgermeister Rainer Voß und Mirjam Gläser vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein auch Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie begrüßen, der die Ratzeburger Initiative zur kreis- und länderübergreifenden Regionalkonferenz als wichtigen und mutigen Schritt in den gemeinsamen Anstrengungen gegen Rechtsextremismus würdigte.

Bürgermeister Rainer Voß führte im Rahmen einer Präsentation in die inhaltliche Arbeit der Konferenz ein. Unter dem Titel „Rechtextremismus verstehen und erkennen im regionalen Bezug“ stellte er Beispiele rechtsextremer Aktivitäten in der Region aus den vergangenen 12 Monaten vor und zeigte dabei, wie stark  Neonazis aus Ratzeburg in regionale und überregionale Netzwerkstrukturen eingebunden sind. „Der Aktionsradius von Neonazis muss hezutzutage weniger kommunal als vielmehr regional erfasst werden“, betonte Voß 

Regionalkonferenz „Rechtsextremismus“ in Ratzeburg
© Regionalkonferenz Rechtsextremismus & Demokratieförderung

Im Anschluss bat Bürgermeister Voß die Anwesenden, über ihre eigenen Erfahrungen mit Rechtsextremismus vor Ort zu berichten und es zeigte sich für alle Beteiligten in drastischer Weise, dass jede der vertretenden Gemeinden oder Städte in dieser Hinsicht bereits eigene Erfahrungen sammeln musste. Die Erkenntnisse reichen von wiederkehrenden Aufmärschen an Grabstätten und Ehrenmälern, über gezielte Immobilienankäufe von Neonazis, NPD-Kundgebungen, feste Szenestrukturen, zu befürchtenden Unterwanderungstendenzen in freiwilligen Feuerwehren, vordringenden rechtsextremen Aktivitäten in Bereichen, aus denen sich das kommunale Jugendangebot aus Kostengründen zurückzieht, geplanten Großkundgebungen, einem rechten Szeneladen bis hin zu Schmierereien an öffentlichen und privaten Gebäuden, Sachbeschädigungen, Morddrohungen und Übergriffe auf ein Jugendzentrum. 

Aus den Beiträgen der Anwesenden wurde deutlich, dass die Rechtsextremisten in der Region sich in sehr leistungsfähiger Weise vernetzt haben und unter Nutzung der neuen Medien sehr schnell zu gemeinsamen Aktionen mobilisieren können. Zudem ließ sich gemeinsam feststellen, dass der Kreis der aktiv agierenden Neonazis zwar überschaubar bleibt, das Unterstützermilieu von Gleichgesinnten, wie es sich beispielsweise in den sozialen Netzwerken äußert, doch erheblich erscheint. 

Gleichzeitig wurde aber auch von vielfältigen Initiativen und Aktionsformen berichtet, die in der Zivilgesellschaft der gesamten Region bereits gegen diese rechtsextremen Umtriebe entstanden sind und vielfach durch die Kommunen unterstützt und getragen werden.

Nachfolgend berieten die Anwesenden, in welcher Weise regionale Handlungsformen gefunden und regionale Vernetzungen initiiert werden könnten, um einen regelmäßigen, regionalen Informationsaustausch herzustellen und insbesondere die Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Aktiven in der Region zu stärken. 

Es wurde vorgeschlagen, eine Informationsbörse auf der Webseite des Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein in der Art eines geschlossenen Benutzerforums einzurichten, auf der die kommunalen TeilnehmerInnen über rechtsextreme Aktivitäten in ihren Ort schnell und einfach informieren können, Informationen zur eigenen Arbeit gegen Rechtsextremismus zu finden sein sollen und untereinander auf Veranstaltungen oder auch Unterstützungsbedarfe hingewiesen werden kann. 

Darüber hinaus wurde der Vorschlag erörtert, eine Nachfolgekonferenz zu planen, auf der insbesondere die zivilgesellschaftlich engagierten Personen aus der Region wie auch kommunalpolitische VertreterInnen zum gegenseitigen Kennenlernen und Erfahrungsaustausch zusammengebracht werden sollen, um hier einen Grundstein für eine großräumige regionale Vernetzung zu legen. 

Beide Vorschläge fanden bei den Anwesenden breite Zustimmung und Mirjam Gläser vom Beratungsnetzwerk Schleswig-Holstein sowie Cornelia Neumann vom RAA Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg signalisierten ihre Unterstützung bei der Umsetzung dieser Vorhaben. 

Abschließend brachte Bürgermeister Rainer Voß die Überlegung ein, ein regionales Kompetenzzentrum analog zu den bestehenden Kompetenzzentren zur Förderung demokratischer Kultur in Mecklenburg-Vorpommern für die Region Lauenburg, Stormarn und Lübeck einzurichten, mit fester Netzwerkanbindung zu den Einrichtungen in Mecklenburg. Auch diesen Ansatz traf auf breite Zustimmung. Die Anwesenden teilten die Haltung, dass in einer festen regionalen Organisationsstruktur einen wichtigen Beitrag zu Unterstützung des vielfach ehrenamtlichen Engagements vor Ort und der besseren Informationserfassung von rechtsextremen Aktivitäten in der Region liegen könnte.

1. Regionalkonferenz „Rechtsextremismus“ in Ratzeburg
(vl.) Mark Sauer (Stadt Ratzeburg), Bürgervorsteher Ottfried Feußner (Bürgervorsteher Ratzeburg), Bürgermeister Rainer Voß, Innenminister Klaus Schlie (CDU), Mirjam Gläser vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein sowie Cornelia Neumann vom RAA-Regionalzentrum für demokratische Kultur, Mecklenburg Foto: Joachim Strunk

Regionalkonferenz „Rechtsextremismus“ in Ratzeburg
(vl.) Mark Sauer (Stadt Ratzeburg), Bürgervorsteher Ottfried Feußner (Bürgervorsteher Ratzeburg), Bürgermeister Rainer Voß, Innenminister Klaus Schlie (CDU), Mirjam Gläser vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein sowie Cornelia Neumann vom RAA-Regionalzentrum für demokratische Kultur, Mecklenburg
Foto: Joachim Strunk

Innenminister Klaus Schlie nahm diesen Wunsch der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter zur Kenntnis und wertet diesen Vorschlag als wichtigen und notwendigen Schritt in der gemeinsamen Arbeit gegen Rechtsextremismus. Vorbehaltlich der Klärung von Finanzierungsfragen, sagte Innenminister Schlie zu, diesen Wunsch konstruktiv aufzunehmen und gemeinsam nach Lösungen auch in anderen Landesbereichen zu suchen.

Abschließend wurde vereinbart einen Brief an die Innenministerkonferenz zu verfassen, mit der Bitte dort alles Notwendige zu tun, um ein NPD-Verbotsverfahren erfolgreich durchzusetzen.

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