Rund 100 Engagierte aus Zivilgesellschaft, Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Kommunalpolitik trafen sich Mitte November im Parchimer Solitär zur 15. Regionalkonferenz Rechtsextremismus und Demokratiestärkung, um gemeinsam Strategien auszutauschen, die die demokratische Kultur hierzulande stützen sollen. Vorbereitet war themenreiches Workshopprogramm zu zivilgesellschaftlicher Bündnisarbeit gegen Rechtsextremismus, zu rechtsextremen Strukturen im Naturschutz, zu queerem Leben im ländlichen Raum sowie zu Rechtsextremismus in Schule und Kommunen.
Im Einführungsvortrag stellte Professorin Dr. Júlia Wéber von der Hochschule Neubrandenburg die Ergebnisse einer aktuellen Studie zu “Demokratiegefährdenden Strukturen und Akteuren in der Region Rostock und die Gefährdung der Demokratie vor Ort” vor. Aus dieser Studie, die im Auftrag der Aktion Zivilcourage e.V. erstellt wurde, konnten die Teilnehmenden wichtige Erkenntnisse für ihre eigene Arbeit gegen Rechtsextremismus beziehen. Als wesentliche Handlungsempfehlungen der Studie wurden der Aufbau von Netzwerkkooperationen zu Polizei, Staatsschutz und Justiz, das konsequente Entgegenwirken gegen die Normalisierung rechter Symbole, Raumnahmen oder Straftaten, Fort- und Weiterbildungsangebote zu demokratiegefährdenden Strukturen und ein Ausbau von Angeboten in der außerschulischen Jugend- und Bildungsarbeit, die Ermöglichung aktiver Demokratieerfahrungen in partizipativen Formaten für alle Bevölkerungsgruppen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit der extrem rechten AfD auf kommunal- und landespolitischer Ebene genannt.
Letzteres wurde von den teilnehmenden Kommunalpolitiker*innen und Bürgermeister*innen besonders unterstrichen. Ein Bürgermeister einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern beschrieb die fortwährende Auseinandersetzung mit rechtsextremen Strukturen und mit der AfD im Stadtparlament mit klaren Worten. Man könne dagegen nur bestehen, so seine Aussage, wenn man selbst eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus entwickelt habe und diese auch vertrete, wenn man solidarisch umgeben sei von Menschen, die diese Haltung teilen und wenn man auf professionelle Beratung zurückgreifen könne, um sich gegen rechtsextreme Strategien zu wappnen. Er ließ in seiner Einlassung keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bedrohung, die von rechtsextremen Strukturen im kommunalen Raum ausgeht. “Wenn die morgen an die Macht kommen, werden sie uns übermorgen abholen”, so seine durchaus nüchterne Einschätzung.
Professorin Dr. Júlia Wéber wies überdies darauf hin, dass rassistische Narrative eine große Wirksamkeit entwickeln können, um Menschen mit rechtsextremem Gedankengut in Berührung zu bringen. Diese Einschätzung teilte im Workshop “Rechtsextremismus in Kommunalpolitik & Gemeinwesen” ein Vertreter der Opferberatungseinrichtung ‘LOBBI M.-V.’. Er beschrieb rassistische Übergriffe als Hauptgrund für Beratungsanfragen, verwies aber auch auf einen massiven Anstieg der Beratungsfälle im Kontext von queerem Leben im ländlichen Raum.
Ein weiteres Schlaglicht der Studie, die Teilnahme von rechtsextremen Akteuren an Kampfsportevents, wurde von einem Vertreter des Landesportverbandes klar bestätigt. Er warnte vor der zunehmenden Bedeutung von ‘Martial-Arts’-Veranstaltungen für die rechtsextreme Szene, die sich dort in zum Teil großer Zahl engagieren oder treffen würde. Dieses Beispiel zeigt, wie flexibel die rechtsextremen Strukturen auf Trends aufspringen. Dies wurde auch im Workshop ‘Ökologie von rechts: Rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz’ deutlich. Völkische Ideologien nutzen gerne den Mantel des Ökologischen und versuchen so Anknüpfungspunkte in die Mitte der Gesellschaft zu finden.
Einig waren sich die Teilnehmenden während des gemeinsamen Austausches zur Empfehlung der Studie, dass alle Institutionen der Demokratieförderung verlässliche und langfristige Finanzierungskonzepte benötigen würden, um kontinuierlich und nachhaltig gegen die Herausforderungen von rechtsextremen Strukturen und Akteuren wirken zu können. Dies wurde vor allem auch im Workshop “Engagiert für Demokratie – engagiert gegen Rechtsextremismus!” diskutiert. Dort tauschten sich zivilgesellschaftlich Engagierte über ihre Erfahrungen und Möglichkeiten in der Arbeit gegen Rechtsextremismus aus.
Das Organisationsteam der 15. Regionalkonferenz Rechtsextremismus und Demokratiestärkung, zu dem das RAA-Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg, das Regionale Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Lübeck der AWO-SH, der Verein Miteinander leben e.V. in Mölln, Stadt Ratzeburg und das angeschlossene Ratzeburger Bündnis sowie der Fachdienst Familie und Schule, Kinder- und Jugendschutz des Kreises Stormarn gehören, zeigte sich mit deren Verlauf hochzufrieden.
Insbesondere die Kooperation mit der ‘Partnerschaft für Demokratie des Landkreises Ludwigslust-Parchim’, die für einen optimalen Konferenzrahmen gesorgt hatte, wurde herausgestellt.